UTE BAUER-SCHRÖTER

„Ich suche nicht, ich finde!“

Dieser Bekannte Satz von Pablo Picasso könnte als Leitmotiv vieler Künstler gelten. Kunst befindet sich heute in einer Phase der grenzenlosen Freiheit und zugleich des grenzenlosen Experimentierens. Viele Künstler nehmen Abstand von bestimmten Motiven und gegenständlichen Themen und lassen dafür ihrer Phantasie auf der Leinwand freien Lauf. Sie frönen einer ungehemmten Mal-Lust im Umgang mit den Materialien der Malerei. Bei dieser Art von künstlerischem Vorgehen würde auch ein verborgenes Motiv nur stören. Hier zählt nur das Experiment, der Zufall, das Ausleben der Farben, das absichtslose Kritzeln und Krakeln, der Umgang mit den vielfältigen Maltechniken, die die Geschichte der Malerei bisher erfunden hat. Man denkt vielleicht an dieser Stelle an die Bilder von Cy Twombley, der wie kaum ein anderer zeitgenössischer Künstler dem Zufall in der Kunst Tür und Tor geöffnet hat und dabei doch erstklassige Werke zustande brachte.

Die Arbeiten von Ute Bauer-Schröter zeigen ebenfalls die ganze Vielfalt eines künstlerischen Experiments, das sich auf der Grundlage der Collage entfaltet hat. Die Künstlerin bedient sich dabei eines quasi archäologischen Verfahrens. In ihren meist in Acryl gemalten Bildern trägt sie immer wieder neue Farbschichten auf und arbeitet dann verschiedene Papiere ein. Die Papiere werden übermalt, wieder entfernt, neu eingesetzt und wieder übermalt. Der Malvorgang gleicht in der Tat einem Prozess des Ausgrabens der Malschichten. Es wird etwas freigelegt, das vorher so noch nicht zu sehen war. Verschüttetes und Vergangenes kommen wieder zu Tage. „Man sucht, man entdeckt, man findet, man setzt Fragmente frei“, so die Künstlerin in einem ihrer eigenen Statements.

Sie beschäftigt sich häufig mit landschaftlichen Bildern. Doch schon beim Aussprechen des Begriffs Landschaft zögert man wieder: es sind zumindest keine erkennbaren bekannten Landschaftsformationen, auch wenn diese vielleicht in der Erinnerung der Künstlerin zur Vorlage, zum Impuls wurden. Das Neue daran ist die bereits beschriebene Gestaltungsweise der Künstlerin. Die Gebirgszüge, so realistisch sie auf manchen dieser Bilder wirken, sind aus Seidenpapier oder anderen Papieren auf die Leinwand collagiert und in einem komplizierten Prozess bearbeitet und übermalt worden. Diese feinfühlig und variationsreich angewandte Maltechnik unterscheidet die Arbeiten der Künstlerin von allem, was in diesem Genre bereits zu sehen war.

Man fühlt sich in eine ferne und doch so vertraute Traumwelt versetzt. Man schwebt über zerklüftete Berge, tiefe Täler, weite Ebenen, Wolkenfetzen treiben vorbei, die Luft erwärmt sich zu einem hellen Zitronengelb, darunter Blaues und 

Graubraunes, man erinnert sich an die „Reise in den Süden“ (2011), auch wenn keine anekdotischen Versatzstücke, keine Sonnenschirme und überfüllten Strände diesen Flug begleiten. Auf anderen Bildern wird es kühler. Hier herrscht die Farbe Blau vor, eine jener Farben die ganz tief an unser Unterbewusstsein appellieren.

Zwischen diesen beiden Polen spannt sich die ganze Bildwelt der Malerin auf: zwischen den dunklen, stürmisch wirkenden, in Blautönen gehaltenen Berglandschaften, die man dem Erlebnis des Nordens zuschreiben möchte, und den südlicheren Gefilden, die von einer heiteren, sorgloseren Stimmung zu sprechen scheinen. Man denkt unweigerlich an die Tunisreise von Paul Klee, von der er im April 1914 einen ganzen Schatz von Aquarellen und Skizzen mitbrachte und die ihn im Augenblick des strahlenden Lichts zur Gewissheit bestärkte: „Die Farbe hat mich! Ich bin Maler!“
Ähnlich wie der Mal-Zauberer Klee entfaltet die Murnauer Malerin einen wahren Schatz von filigranen und malerischen Einfällen, die von zeichnerischen Details, bis zu abstrakt-gestischen Texturen reichen. Das zeugt von großer Sensibilität und einem nicht minder großen Wissen, was künstlerische Prozesse anbelangt.

Texturen werden durch einmontierte Zeitungsausschnitte erzeugt, die teilweise übermalt und unleserlich zu einer lebhaften Fläche werden. Tupfen und Striche deuten vielleicht Vegetation an, Hinweis auf menschliche Spuren fehlen meist, doch gibt es andere Arbeiten, auf denen figurative Kürzel wie die rätselhaften Stelen der Osterinsel aufgestellt sind und auf einem Eiland inmitten eines tiefblauen Meeres auf etwas zu warten scheinen. Sie nennt diese Arbeiten „Dialogfelder.“ In den überarbeiteten Fotos, die sie zur Fotocollage werden lässt, erfährt man eine andere Seite der vielseitigen Künstlerin. Hier sind Fotos aus dem Alltag und Urlaub so bearbeitet, dass sie in eine traumhafte, surreale Welt entführen, in dem die darin schwebenden, farbigen Collagenteile wie Zeichen aus einer anderen Welt wirken.

In der künstlerischen Tätigkeit geht es Ute Bauer-Schröter vor allem um eins: um die schöpferische Phantasie, um Selbst-Erkenntnis und um Erkenntnis der Natur in ihrer unermesslichen Vielfalt, an der wir teilhaben dürfen.

Daher zum Schluss ein Zitat von Paul Cézanne, dem großen Meister der Landschaftsmalerei: „Die Natur ist nicht an der Oberfläche, sie ist in der Tiefe. Die Farben sind der Ausdruck dieser Tiefe an der Oberfläche. Sie steigen aus den Wurzeln der Welt auf. Sie sind ihr Leben, das Leben der Ideen.“

Dr. Hajo Düchting